09. Juli 2023
Ausgeschlafen
Heute seit langer Zeit ausgeschlafen. Diesmal haben mich nicht die Schmerzen geweckt. Das neue Medikament scheint zu wirken. Na, nicht ganz.
Meine linke Hüfte sprach mit mir. Aber ihre Schmerzen sind tragbar…sie beißen nicht – sie brennen nicht. Dafür bin ich ihr sehr dankbar.
So vergaß ich in den ersten Momenten des Wachseins, dass „mein“ Leben vor 2 Monaten mit lautem Getöse zusammengebrochen war.
Auch das Weinen war laut, die Verzweiflung und die ungläubige Fassungslosigkeit.
All meine schönen Träume und Pläne verfielen ins Nichts. So plötzlich. Dabei hatte ich so gekämpft. Mit Orthopädie, Ibuprofen, Oxoton, Osteopathie, Physiotherapie. Doch nichts half.
Auch nicht die Notaufnahmen und die Ärzte-Odyssee. Außer Schmerzmittel zu verabreichen fiel ihnen allen nichts ein. Sie warfen eine kurzen Blick auf die MRTs, schauten mich an, mal freundlich, mal genervt. „Bitte vorbeugen, drehen, Bein heben,…“ . Durch die vielen osteopathischen Behandlungen bin ich beweglich wie schon seit Jahren nicht. Ich kam wegen den Schmerzen, die immer schlimmer wurden – brennend, beißend. Ausgehend vom Iliosakralgelenk. Auf meine Frage nach der Ursache folgte allgemeines Achselzucken. „Seelisch-emotional bedingt?“. Nein, mein Iliosakralgelenk hat kein Herz. Und mein Leben war schön und unbeschwert – bis die Schmerzen kamen und Tilidin zum Freund wurde.
Als ich in einem der MRT-Befunde den Vermerk „Tarlov-Zysten an S2/3“ entdeckte, begann ich gezielter im Internet zu recherchieren.
Das geht auch im Liegen.
Gehen ist mittlerweile ein Privileg, das ich nur im sehr begrenzten Rahmen habe. Doch Zeit habe ich, viel Zeit. Der Sommer, meine Lieblingsjahreszeit kam mit all seiner Freude und Wärme und Düften – und ich? Ich lag nur herum – drinnen. Kein Fahrradfahren ins Grüne, kein sanfter warmer Wind, der über meine Haut streichelt. Selbst meine Blumen auf dem Balkon zu gießen, ist ein schmerzhafter Akt. Also zurück ins Bett. Kein Gewicht auf die Wirbelsäule. Atmen, nicht aufgeben.
Meine Internetrecherche ergab, dass Tarlov-Zysten sehr wohl, wenn auch nur bei sehr wenigen Menschen, große Schmerzen verursachen können. Die beschriebene Schmerzsymptomatik ist nahezu deckungsgleich mit meinen Schmerzen. Nur eine Handvoll Ärzte in Deutschland entfernen diese in einer schwierigen Operation. Eine Foundation, gibt es auch, die sich der Betroffenen annimmt.
Es war als ob in dem tiefen dunklen Tunnel, in dem ich mich befand, ein klitzekleiner Lichtschimmer aufschien.
Ich fand eine Selbsthilfegruppe bei FB. Die Kommentare und Berichte waren erschreckend und ermutigend zugleich. Dann somatisierte ich tatsächlich. Dem Schreck folgte eine Gürtelrose, die aber rasch wieder abklang. Dem Mut folgte eine Terminvereinbarung bei einem angesehenen Neurochirurgen/Schmerztherapeuten hier in Berlin. Zu dem Termin nahm ich alles mit, was ich über Tarlov-Zysten herausgefunden hatte.
Doch es war wie in dem Film ‚Täglich grüßt das Murmeltier‘ :
„Ach, Tarlov-Zysten. Die machen nichts!“
Er verstreute meine Unterlagen auf seinem Schreibtisch.
„Alles nur Geldmacherei!“ , „Keine Ahnung, was die Schmerzen auslöst, aber ich kann Ihnen eine Spritze in die Wirbelsäule geben!“
Meiner Fassungslosigkeit folgten Pregabalin und Tapentadol.
Also wieder aufraffen! Nicht den Mut verlieren!
Parallel zu den unerquicklichen und verstörenden Arztbesuchen in Berlin, hatte ich mittlerweile zwei der Ärzte, die Tarlov-Zysten ernst nehmen, angerufen. Termine bekam ich bei beiden.
Jetzt heißt es atmen und warten. Dann Kofferpacken. Erst nach München, drei Wochen später nach Bonn.
In Begleitung von Hoffnung und vielen Schmerzmitteln.
Nachgedanke für BuddhistInnen:
Zurzeit denke ich oft an einen bestimmten Vers, den uns das Dharma lehrt: „…..und Hoffnung und Furcht sind die Dämonen“. Und ich hoffe so sehr….